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Alpenüberschreitung E5 Oberstdorf - Zams

Alpenüberquerung E5 Oberstdorf – Zams / Etappe 1-3

 

Datum: 04.09.2008 – 06.09.2008

Teilnehmer: Florian, Martin

 

Gipfel: keine

 

Schwierigkeiten: stellt nur konditionelle Anforderungen

Wetter: wechselhafte Verhältnisse mit Regen und Schneegraupel

 

Strecke: Oberstdorf - Spielmannsau 1002m – Kemptner Hütte 1846m – Mädelejoch 1974m – Holzgau 1070m – Madautal 1400m – Memminger Hütte 2242m – Seescharte 2664m – Zams 800m – Busreise nach Oberstdorf

 

 

Ein lange Nacht und seine Folgen...

Nach einer langen Disconacht lagen wir schwer gezeichnet frühmorgens bei mir zu Hause auf der Couch. Während ich ein Katerfrühstück zubereite, blätterte Florian in meiner Fernsehzeitung und fand zufällig einen Artikel über einen Weitwanderweg von Oberstdorf nach Meran. So interessiert und spontan, wie man in einem solchen Zustand sein kann, kamen wir auf die Idee den Weg selbst zu gehen. Naja, anschließend schliefen wir beide ein und die Idee wurde, so dachte ich, wieder vergessen. 

Ein paar Wochen später kam wiederrum Florian auf mich zu und teilte mir mit, dass er jetzt auch noch einen Bekannten gefunden hätte, der mit uns über die Alpen gehen würde.

 

Ich hatte das Thema ja eigentlich komplett vergessen, denn wir hatten nach dieser Disconacht nie wieder über das Thema gesprochen. Aber spontan, wie ich halt bin, sagte ich Florians Plan nächste Woche zu starten zu. Etwas kurzfristig, aber wir hatten alle drei Zeit und so starteten wir das Thema Alpenüberquerung. Das Wetter war zwar nicht besonders gut vorausgesagt, aber so hätten wir wenigstens keine Probleme bei der Hüttenreservierung. 

Die Vorbereitung hätte für mich, aber auch für meine beiden Mitstreiter wirklich besser sein können. Meine Kondition und Fitness waren durch mein Fernstudium, dass ich neben dem 38 Stunden Job machte, auf einem langjährigen Tiefstand. Um das Fernstudium finanzieren zu können, hatte ich einen 450€ Job in einer lokalen Zeitung am Wochenende angenommen. Dort erstellte ich die Tabellen des lokalen Fußballs. Deshalb blieb in den letzten Monaten nicht viel Zeit für anderes. Naja, aber wer nichts wagt, der nicht gewinnt. So oder so ähnlich dachten wir, als wir mit Florians Auto nach Oberstdorf Ins Allgäu fuhren. Die Wettervorhersage hatte sich nicht verbessert, eher ein wenig verschlechtert. Aber da wir für die Regenzeit ausgerüstet waren, dachten wir das es schon ginge. Die Schwierigkeiten waren ja laut unserer Literatur nur „konditioneller Natur“. 

Die erste Etappe.

Am Parkplatz angekommen, schulterten wir unsere Rucksäcke und marschierten von dort brettleben, bei strahlendem Sonnenschein die ersten 10 Kilometer von Oberstdorf nach Spielmannsau auf 1002 Meter. Keiner wusste, dass diese paar Sonnenstrahlen die letzten werden würden, die wir während unserer Wandertage auf der Haut spürten. Am Berggasthof Spielmannsau angekommen, machten wir unter einer riesigen Linde eine kleine Pause. Der Schatten tat gut, denn die Sonne macht das ganze Schleppen des schweren Rucksacks schon anstrengend und schweißtreibend. Der Schweiß lief an uns nur so runter.

 

Kurze Zeit später starteten wir wieder und gingen Richtung Berge und dem Allgäuer Hauptkamm. Wir folgten dem schmalen Weg und erreichten bald die Talstation der Materialseilbahn auf 1048 Meter, wo der Weg zur Kemptner Hütte, unserem ersten Stützpunkt hinaufführt. Kurz vor der Materialseilbahn bogen wir nach rechts in den Wald hinein ab und überquerten eine Brücke, die über einen rauschenden Bergbach führte. In steilen Serpentinen ging es das Sperrbachtobel hinauf. Es fing zu regnen an. Erst leicht, dann kam das Wasser wie aus Schleusen auf uns niedergeprasselt. Innerhalb von Minuten sind wir bis auf die Unterhosen nass. Einen Herbstregen, wie ich ihn schon lange nicht mehr gesehen habe. 

Grüne Matten und die Kemptner Hütte, dahinter der Kratzer 2428m. 

Oben angekommen öffnete sich neben den Schleusen des Himmels auch die Landschaft und wir konnten unser Etappenziel für heute, die Kemptner Hütte sehen. Ein magische Stimmung erwartete uns. Nebelschwaden zogen mystisch über die grünen Wiesen, alles tropfte und wir hüpfen über Rinnsale und kleine Wasserläufe. Die Schuhe Rand voll Wasser und generell völlig durchnässt erreichen wir die Hütte, zogen uns in einem kleinen Unterstand vor der Hütte um. Florian macht die Hütte klar und wir versuchten die nasse Kleindung und das ganze Gepäck im Trockenraum aufzuhängen. Bald waren die Mühen, die Nässe und Kälte des Zustiegs vergessen. Wir sind fast allein in der Hütte. Außer uns sind nur ein paar andere Gäste da, was uns schon ein wenig komisch vorkommt. Denn sonst hört man immer von der völlig ausgebuchten Kemptner Hütte. Ja, die Wetterprognose ist nicht berauschend, aber auch nicht so schlecht. Unstabil, aber zum Wandern ok. 

Abends bei Bier und Kaiserschmarrn planten wir den morgigen Tag. Aber lange hielten wir uns nicht in der Gaststube. Der anstrengende Tag forderte seinen Tribut. Völlig fertig kriechen wir in die, vom Aufstieg klammen Schlafsäcke.

Mit schweren Beinen gingen wir am nächsten Morgen zum Frühstück. Martin klagte über Blasen an seinen Fersen. Aber wir wollten alle weiter, denn unser heutiges Ziel ist die Memminger Hütte.14km und knapp 1000 Höhenmeter im Auf und Abstieg warteten auf uns.

 

 

Die zweite Etappe.

Von der Hütte wanderten wir den Wanderweg Nr.438 zum Mädelejoch hinauf. Erst angenehm, dann steiler werdend ist es eine Qual für die kalten Muskeln. Schön langsam aber wurden die Muskeln wieder warm und wir kamen wieder in den Tritt von gestern. Das Wetter ist heute mal gut, wenn auch riesige Wolken vom gestrigen Gewitter den Himmel noch bedecken. Es bleibt weiterhin unbeständig. Kurz nach dem Joch überquerten wir die Bayerisch-Tiroler Grenze und wanderten ab jetzt in Österreich. Das zweite Land auf dem Weg zum Gardasee. Auf einem gut markierten Wanderweg gingen wir an einer Alm vorbei, querten einen Bach und wanderten dann auf einer Froststraße durch das Höhenbachtal hinunter nach Holzgau 1070m. Hier liefen wir entlang einer Teerstraße in den Ort hinein. Martins Fersen sahen überhaupt nicht gut aus und während des Abstiegs mussten wir immer wieder mal pausieren. In Holzgau, bei einem Gasthof, nahmen wir uns ein Taxi, dass uns in das Madautal bis zur Materialseilbahn der Memminger Hütte rauffuhr. Bei der Materialseilbahn angekommen, will es Martin dann doch noch einmal probieren. Wir nahmen ihm ein wenig Gepäck ab und hofften das Beste. Wir schulterten unsere schweren Rucksäcke und gingen den Schildern und Markierungen folgend, dem Weg entlang bis zu einer Brücke. Auf der anderen Seite des Baches stiegen wir nach links steil über Latschen und Wiesen zu einer weiteren Steilstufe, die wir links umgingen. Nach einigen Bachquerungen erreichten wir eine große Weide unterhalb des Seekogels. Die Memminger Hütte ist nicht mehr weit, aber Martin ist noch nicht zu sehen. Er kämpfte aber blieb immer wieder zurück. Für Florian und mich war das auch auf die Dauer nervig, da ja das Wetter auch nicht besonders einladend war. Wir beschlossen abends mit Martin zu reden, ob es nicht besser wäre, die Tour im nächsten Talort abzubrechen. 

Die Bayerisch-Tiroler Grenze

So kann es nicht weitergehen. Endlich auf der Hütte angekommen, freuten wir uns auf ein großartiges Abendessen und wir wurden nicht enttäuscht. Bei einem gemütlichen Weißbier wollen wir unsere weitere Strategie besprechen. Da es für uns so nicht mehr viel Sinn machte weiterzugehen, war nur noch die Entscheidung zu treffen, wohin wir absteigen. Nach Zams oder zurück Richtung Holzgau. Wir entschieden uns fürs Absteigen Richtung Zams und werden dort unsere Alpenüberquerung vorzeitig beenden. Dort wollen wir versuchen einen Zug zu ergattern, der uns zurück nach Oberstdorf bringt. Man konnte förmlich sehen, wie Steine von Martins Herzen fallen. Bald darauf gingen wir auf unser Zimmer und verkrochen uns in unseren Schlafsäcken.

Die dritte Etappe.

Am nächsten Morgen, gleich nach dem Frühstück wanderten wir los. Heute steht uns eine Monster Etappe bevor. Bei der uns zwar nur 450 Höhenmeter Aufstieg erwarten aber 29 Kilometer und 2100 Höhenmeter Abstieg. Martin hatte nur beim Aufstieg zur Seescharte Schwierigkeiten, denn da kratzte der Schuh an den Fersen. Beim Abstieg, so hoffte er, wäre es besser! Naja, wir hofften das Beste.

 

Der knackige Aufstieg zur Seescharte forderte von unseren schweren Beinen schon enorm. Der bereits liegengebliebene Schnee der letzten Tage machte das Ganze nicht einfacher. Von der Scharte haben wir einen wunderbaren Blick zurück zur Memminger Hütte und zum oberhalb liegenden Seewisee. Hier war es zwar ziemlich kalt, der Wind pfiff aber wir wollten trotzdem kurz rasten und auf Martin warten, denn die folgenden Kilometer gehen nur noch bergab ins Lochbachtal beziehungsweise Inntal.

Kurz unterhalb der Seescharte 2664m.

Erst über einfaches Blockwerk, dann über gefährlich mit Glaseis überzogene Felsen gingen wir auf der südlichen Seite der Scharte abwärts. Über steile Serpentinen erreichten wir den Latschengürtel und wanderten weiter an diversen Bergbächen entlang. Echt malerisch. An einer „Flusskreuzung“ machten wir kurz Rast. Martins Füße ging es im Abstieg tatsächlich besser. Das freute uns, den so konnten wir uns auf ein zwar sehr gemächliches Tempo einigen aber mussten nicht alle paar hundert Meter stoppen. Immer mehr oder weniger den Bächen und den guten Markierungen folgend durchquerten wir einen kleinen Wald, der uns Schatten von der zwischenzeitlich herausgekommenen Sonne spendete. Bei einer Jägerhütte auf einer Almwiese kamen wir zu einem Wegweiser, der uns zum Zammer Loch führte.

Das Zammer Loch ist eine gewaltige Schlucht, die uns immer wieder staunen ließ. Auf in den Stein gehauenen Wegen gingen wir recht ausgesetzt oberhalb des Lochbaches entlang. Als wir endlich unser Tagesziel erkannten, freuten wir uns alle drei. Auch Florian und ich sind durch die drei Tage, wegen dem schlechten Wetter und das andauernde Warten gezeichnet. Die letzten Höhenmeter ins Tal haben wir immer einen großartigen Blick ins Inntal. Ich bin völlig mit mir im reinen. Fühle, dass das unterwegs sein in den Bergen genau das meine ist. So hatte ich das noch nie, obwohl ich auch schon zuvor regelmäßig in den Bergen war. Ich lasse es laufen und bin in meiner eigenen Welt. Die Höhenmeter schwinden.

 

Der Weg wurde steiler und die die Wurzeln mahnten zur Vorsicht. Unsere Beine fühlten sich wie Pudding an, nach diesen fast 2000 Höhenmetern Abstieg. Unten im Tal angekommen standen wir plötzlich auf einem Radweg. Erst mal ohne Plan, wo es hingehen sollte, wendeten wir uns nach rechts, Richtung Zams. 

Kurze Zeit später überholte uns ein Mann auf einem Rad. Er fragte uns, ob wir eine Unterkunft bräuchten. Wir freuten uns wegen diesem Angebot und sagten gerne zu. Helmut stieg ab und ging mit uns zu seinem kleinen Gästehaus mitten in Zams. Er erzählte uns, dass öfter Wanderer bei ihm übernachteten. Für uns fühlte sich das alles gut an. Hier wollten wir eine Nacht verbringen und dann am nächsten Morgen wegen einer Zugverbindung schauen. Unser Planungsgespräch hörte Helmut zufällig mit und bot an, dass er die Zugverbindung telefonisch erfragen könne. Auch dieses Angebot nahmen wir dankend an und schon kurze Zeit später kam er mit einer Zugverbindung zu uns. Wir werden zwar den halben Tag unterwegs sein, wir müssen über den Bodensee nach Oberstdorf fahren, aber wir hatten ja auch Zeit. Am nächsten Morgen fuhr uns Helmut pünktlich zum Bahnhof. Vielen Dank nochmal an Helmut.

 

Der Zug brachte uns dann mit fünf Mal Umsteigen zurück nach Oberstdorf, wo unser Auto stand.

Fazit: Wir empfanden es nicht als Niederlage, die Füße nicht in den Gardasee halten zu können. Wenn ich so im Nachhinein über die letzten Tage nachdenke, war die ganze Sache eigentlich schon von Beginn an zum Scheitern verurteilt. Klar hätten Florian und ich uns schon irgendwie nach Italien mogeln können. Aber es war eigentlich keiner von uns dreien so fit, dass er die Gasamtstrecke mit Genuss hätte bewältigen können. Wir hatten auch die falsche Ausrüstung, wir waren viel zu schwer unterwegs. Martin mit dem falschen Schuhwerk. Es war eine Schnapsidee, die wir einfach ausprobieren wollten, Auch Florians und meine Beine waren nach dem 2100 Höhenmeterabstieg nach Zams am Ende. Die Füße von Martin sahen schlimm aus. Wir überlegten kurz mal, ob wir ärztlichen Rat aufsuchen sollten. Aber eine Wund- und Heilsalbe, Luft und Adidas Badeschlappen machten auch Martin wieder mobil.

 

Trotz diesem Monsterabstieg war für mich die dritte Etappe die schönste. An Abwechslung nicht zu überbieten. Für mich waren diese vier Tage eine großartige Erfahrung. Die Schinderei, seine momentanen Grenzen zu verschieben, das miserable Wetter und die schöne Landschaft. Die magischen Stimmungen bei Nebel und Schnürlregen. Es brachte mich zwar ein paar Mal an meine Grenzen, aber ich möchte diese Erfahrung nicht missen. Für mich war es eine wunderbare Fügung. Ich war noch nie so befreit, ohne Sorgen unterwegs. Ich war einfach in meiner Welt, einen Fuß vor den anderen setzten. Ich werde wieder in die Berge fahren, dieses Mal dann fitter und besser vorbereitet.

Tagesleistungen:

Tag1: Oberstdorf 813m – Kemptner Hütte 1846m 

Aufstieg 1030 Hm / 18 Km

Tag2: Kemptner Hütte 1846m – Memminger Hütte 2242m

Aufstieg 950Hm Abstieg 850Hm / 14km

Tag3: Memminger Hütte 2242m – Zams 800m

 

 Aufstieg 450Hm / Abstieg 2100Hm / 29km

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