Stilfser Joch - Die Königin der Passstraßen
Auffahrt: Nordostrampe von Prad:
Abfahrt: über Umbrailpass nach Santa Maria
06.06.2018
Strecke: Prad 910m – Stilfser Brücke - Gomagoi – Trafoi – Stilfser Joch 2757m – Umbrailpass 2503m – Santa Maria 1330m – Münstair - Taufers im Münstertal – Glurns – Prad 910m
Steilheit max. 12% - 48 Kehren – 1844hm – 24,6km – (Gesamt knapp 63km / 1967hm)
Gustav Thöni, Nationalheld und ein berühmter italienischer Skifahrer, der viele Titel und Rennen in seiner aktiven Zeit in den 1970ern gewonnen hatte, erfüllte sich nach seiner Ski-Karriere einen Traum und startete mit seinem Hotel in Trafoi. Seine Kinder führten dieses Hotel „Bella Vista“ weiter und bauten es zu einem Kinder- beziehungsweise Familienhotel aus.
Genau in dieses Hotel der Familie Thöni verbrachten wir mit einer befreundeten Familie unseren Urlaub. Anfang Juni, in der Eröffnungswoche des Jahres 2018, wo hie und da noch Schnee lag, genossen wir die Ruhe in dem Hotel.
Eine Aussicht zum Niederknien.
Gemeinsam mit Michael wollte ich die Gunst der Stunde nutzen und die eine oder andere Runde mit dem Rennrad zu fahren. Zu unseren Favoriten gehörte natürlich die Mutter der Passstraßen, die Auffahrt zum Stilfser Joch. Um das ganze zu einer runden Sache zu machen, fuhren wir dann den Umbrailpass Richtung Santa Maria ab und kehrten zurück zum Ausgangspunkt, nach Prad.
Aber alles der Reihe nach…
Früh morgens, ließen wir unsere Räder vom Familienhotel in Trafoi hinunter nach Pard rollen. Es war richtig kalt und ich war froh, meine wärmere Jacke anzuhaben. Ich musste ein zwei Mal stoppen und meine Finger massieren, weil ich vor Kälte kein Gefühl mehr hatte. Unten in Prad angekommen, starteten wir, an der eigens aufgemalten Startlinie, die knapp 25 Kilometer und 1844 Höhenmeter zu bezwingen. Wir vereinbarten, dass jeder sein Tempo fahren sollte und wir uns auf der Passhöhe treffen werden.
Ich fuhr von Beginn an voran, Michael wollte es als Berg-Neuling ein wenig ruhiger anlassen. Ich aber fuhr von Beginn an mit Druck. Ich wollte schauen, was zwei Tage nach meinem letzten Wettkampf, dem Glocknerkönig noch oder schon wieder in meinen Beinen ist.
Die ersten Kilometer geht es verhältnismäßig flach und gerade aus über die Ponte Stelvio Richtung Gomagoi, wo die Straße nach Sulden abzweigt. Hier steilt es aber schon ein wenig auf und das Fahren wird anstrengender. Erst bei unserem Hotel, bei der ersten Kehre zieht die Strecke nochmals an. Wenn hier die Straße nicht so steil wäre, würde man fast das in die Pedale treten vergessen, denn so schön ist die Aussicht. König Ortler, den ich 2017 über den selten begangen Pleishorngrat besteigen konnte zur linken, gerade im Talschluss das Skigebiet des Stilfser Jochs und rechts zieht sich die Passstraße an der rechten Talseite angelegt in unzähligen Kehren hinauf zum Joch.
Insgesamt eine Landschaft die ihres gleichen sucht. Man ist immer wieder versucht stehen zu bleiben und zu fotografieren.
Der König Ortler versteckt sich hinter den Wolken.
Kehre für Kehre schraube ich mich hinauf. Immer höher komme ich und das Schnaufen wird zunehmend schwerer. Ich komme am Berghotel Franzenshöhe vorbei und bleibe kurz stehen und ziehe mit dem Finger und den Augen meine Aufstiegsroute auf den Ortler nach. Ein Riegel und einen Schluck aus der Flasche gönne ich mich auch. Die Pause war richtig gut, denn meine Beine waren nach dem Glocknerkönig und den heutigen Höhenmeter doch recht angeschossen. Ich gönne mir aber nur eine kurze Pause, denn ich will ja nach oben.
Jetzt werden die Kehren enger und steiler und muss richtig leiden. Aber zu Glück ist es nicht mehr lange. 5 Kehren, 4 Kehren, 3 Kehren, ich kann die Passhöhe schon sehen. 2 Kehren, 1 Kehre und kurze Zeit später stehe ich endlich nach 2:07h auf der Passhöhe.
Ein Blick zurück...
Der Trubel ist gewaltig. Ein Würstchen- und Souvenirstand folgt dem anderen. Ein richtiges kleines Volksfest auf 2757m. Motorräder, Autos und deren Besitzer bevölkern diesen ausgesetzten Platz. Vor lauter Motorräder bekomme ich fast keinen Platz für mein Rad. Über mir thronend die Dreisprachenspitze und in weiter Ferne, der König Ortler. Ich geh ein wenig rum und schaue auf jede Seite des Passes hinunter. Ich hatte ja ein wenig Zeit, bis Michael kommt.
Aber schon kurze Zeit später erreicht auch Michael seinen ersten Alpenpass. Wir gratulieren uns, ziehen uns um und bereiten uns für die Abfahrt in die Schweiz vor. Über den Umbrailpass wollen wir nach Santa Maria abfahren und die Runde in Prad beenden.
Über zahlreiche enge Kehren zieht die Straße auf ein großes Plateau hinunter. Hier am Umbrailpass zweigen die Abfahrt nach Bormio und nach Santa Maria ab. Wir machen noch kurz ein paar Fotos, ich ziehe noch kurz eine Mütze unter meinen Helm und schon geht es weiter hinunter. Über Almwiesen und enge Kehren in Mischwäldern geht es in einer einmaligen Landschaft, der einspurigen Straße folgend, in das Val Münstair nach Santa Maria hinunter. Ich fand diese Abfahrt sehr anregend und abwechslungsreich und werde diese sicher auch noch einmal in meinem Leben hinauffahren.
In Santa Maria angekommen, fahren wir schön mit Rückenwind über die Ortschaften Münstair, Taufers im Münstertal und Glurns zurück nach Prad.
Fazit: Was für eine Runde! Was für ein Erlebnis! Ich bin so richtig stolz auf uns, denn Michael hat sich mit seiner Leistung heute echt gut angestellt. Die 1844 Höhenmeter lassen sich schon richtig strampeln. Ich musste auch nach meinem Wettkampf so richtig kämpfen. Die Abfahrt nach Santa Maria ist mindestens genauso eindrücklich wie die Auffahrt von Prad. Einziger Wehrmutstropfen sind diese aggressiven Auto- und Motorradfahrer. Die schneiden, drängeln, wie wenn sie ein Rennen zu gewinnen hätten. Hier wären ein wenig mehr Gelassenheit und gegenseitige Rücksichtnahme für alle Parteien von Vorteil.
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