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Skihochtour Gran Paradiso via Rifugio Vittorio Emanuele II. - Abbruch

Datum: 17.12.2021

 

Teilnehmer: Peter 

 

Gipfel / Höchster Punkt: 2980m

 

Wetter:  stabiles Hoch

 

Schwierigkeiten: 1030hm, Schwierige Schneeverhältnisse

 

Bedingungen: gut gesetzter Schnee mit einer leichten Kruste im Lärchenwald, weiter oben wechselhafte Schneeverhältnisse von abgeblasen, über Pulverschnee, über tragender Harschdeckel und Bruchharsch war alles dabei. Ab der Waldgrenze durch den Wind fast kein Schnee mehr.

 

Lawinenlage: 2

 

Strecke: Parkplatz Pont im Valsavaranche 1980m – Refuge du Tetras Lyre - Rifugio Vittorio Emanuele II 2732m – Umkehrpunkt 2985m – Rifugio Vittorio Emanuel II 2732m - Refuge du Tetras Lyre  - Parkplatz Pont im Valsavaranche 1980m

 

Ausrüstung: Skihochtourenausrüstung, 40m Seil, Gurt, Harscheisen, Steigeisen, Lawinenausrüstung

Irgendwie hatte ich schon mehrere Male die Möglichkeit zum Gran Paradiso zu fahren, doch jedes Mal kam mir etwas dazwischen. Dieses Mal stimmte die Lawinenwarnstufe, das Wetter, und der passende, leidensfähige Tourenpartner war auch an Bord. Also dann los nach Pont. Obwohl es für diese Tour im Frühwinter schon ein ungewöhnliches Datum war, wollten wir es probieren. Was konnten wir schon verlieren.

 

Der Gran Paradiso ist die höchste Erhebung der Grajischen Alpen und gilt als höchster 4000er Italiens der zu Gänze in Italien liegt. Ein begehrtes Ziel bei Bergsteigern und Skitourengehern zugleich. Er wird immer als einer der leichtesten 4000er der Alpen bezeichnet, aber das kommt natürlich immer auf die aktuell vorherrschenden Verhältnisse an. Der Berg ist auch Namensgeber des Ihn umliegenden Nationalparks, aus dem der heutige Bestand an Steinböcken unserer Alpen hervorging. 

Früh morgens auf der Langlauf Loipe...

Nach einer problemlosen Anfahrt, fuhren wir von Aosta aus in das Valsavaranche mit dem Talschluss Pont. Ein wunderschönes, ursprüngliches Tal mit vereinzelt angehäuften Häusern, die mit Steinplatten bedacht waren. Richtig idyllisch und man kann sich vorstellen wir die Menschen vor fünfzig oder hundert Jahren i den Alpen gelebt haben. Erfreulicherweise war hier definitiv der Massentourismus noch nicht angekommen. Bis auf eine Liftstation im vorderen Bereichs des Tals und zwei oder drei Loipen war hier nichts zu finden. Keine Bettenburgen oder touristischer Wahnsinn. Deshalb war es auch nicht sonderlich verblüffend, dass alle Häuser noch wie verriegelt aussahen. Einzig der Gasthof im Talschluss hatte schon/noch offen. Hier genehmigten wir uns, nachdem wir unsere Ausrüstung für morgen hergerichtet hatten, noch ein Bier.

 

Um für den morgigen Tag noch den richtigen Pepp im System zu haben, verabschiedeten wir uns bald vom freundlichen Wirt und verzogen uns in Peters Bus um unsere Geheimwaffe, den Rotwein zu genießen. Mit italienischem Gebäck schmeckte der Wein hervorragend. Wir planten noch kurz den morgigen Ablauf und die Startzeit aber schon kurze Zeit später verzogen wir uns in unsere Schlafsäcke.

Spuren im Schnee. Kurz nach der Baumgrenze.

Pünktlich um 04:30Uhr gingen wir vollgepackt auf der Langlaufloipe Richtung Refuge du Tetras Lyre. Im gemächlichen Tempo konnten wir uns im Schein der Stirnlampen auf die ersten, noch starren Bewegungen konzentrieren, ehe nach dem Refuge der Sommerweg zum Refugio Vittorio Emanuele II abzweigte. Hier freuten wir uns, weil wir nach dem Abzweig eine Trampelspur in den lichten Lärchenwald fanden.

Wir dachten schon, dass uns das Spuren zumindest bis zur Hütte erspart bleiben würde, doch bereits nach wenigen hundert Meter endete diese Spur abrupt. Ein wenig ratlos checkten wir unsere Karten und fingen an, entlang des immer mal wieder erkennbaren Sommerweg zu spuren. Der Weg war eigentlich gut angelegt, doch auf den meist waagrechten Teilen und den steilen Kehren, sammelte sich der Schnee schon gewaltig. Das Spuren in den wechselnden Schneehöhen strengte besonders an und raubte uns einen gewissen Zeitpuffer.

 

Bis zu Tourenskistiefelhöhe sanken wir des Öfteren ein und so verloren wir schon hier am Anfang der Tour einiges an Zeit beim Hüttenzustieg. Nach der Waldgrenze im offenen Gelände, taten wir uns unglaublich schwer auf dem Sommerweg zu bleiben, da dieser durch Wind Einfluss mit der übrigen Landschaft verschmolz. 

 

Es wird langsam hell und wir können uns orientieren. Uns fällt auf, das wir den Steinmännern ins falsche Kar gefolgt sind...

So checkten wir immer öfter den Weg auf unserem GPS-Gerät aber in der Dunkelheit war dies nur bedingt hilfreich. Wir blieben links einer alten Moräne und gewannen auf einem steilen Hang einen Kamm. Der Schnee wurde pickelhart und so bauten wir auf Harscheisen um. So ging es sich gleich um einiges sicherer. Auf dem steilen Hang fanden wir schon Steinmänner, denen wir folgten. Wir dachten, dass uns diese zur Hütte führen würden... Erst später fanden wir heraus, dass uns diese Steinmänner in das falsche Kar führten.

Unser zwischenzeitliches Ersatz-Ziel, der La Tresenta rechts der Bildmitte.

Da das Refugio auf gut 2700 Meter war, wunderte ich mich, dass wir es noch nicht erreicht haben. Denn meine Uhr zeigte schon 2800 Meter an. Endlich dämmerte es langsam, so dass wir unsere Umwelt ein wenig besser erkannten, als im begrenzten Lichtkegel unserer Stirnlampen. Richtig wenig Schnee war hier oben. Nur kleine Steine waren mit Schnee bedeckt, ansonsten ragten viele Steine und Felsen aus dem meist abgeblasenen und windverfrachteten Gelände heraus. 

Eine magische Morgenstimmung mit dem Rifugio links der Bildmitte. Außerdem sieht man ganz gut die niedrige Schneelage.

Auch das bereits gesuchte Refugio fanden wir mit dem ersten Sonnenlicht. Etwa 80 bis 100 Höhenmeter links unter uns. Wir beschlossen, dass wir das eh geschlossene Refugio bei der Abfahrt vom Gipfel besuchen und besichtigen wollen, und so stiegen weiter den Steinmännern folgend aufwärts. Irgendwann kam uns das Gelände komisch vor und wir checkten wiedermal die Karte. Völlig fassungslos starrten wir uns an. Wir sind den Steinmännern folgend ins falsche Kar gestiegen. Das hätten wir wirklich schon eher merken müssen.

 

Nun war guter Rat teuer. Wir hatten eigentlich nur noch zwei letzte Möglichkeiten. Entweder wir blieben in dem Kar und besteigen einen der Berge wie den La Tresenta oder wir rutschen zu der Hütte ab und steigen in das links von der Hütte hinaufführende Kar zum Gran Paradiso. Da wir durch das Spuren eh schon viel Zeit liegen gelassen haben, würde diese zusätzliche Stunde unser Zeitplanungsfass endgültig zum Überlaufen bringen.  

Das Rifugio Vittorio Emanuel II. auf 2732m

Wir entschieden uns schweren Herzens für die Möglichkeit eins und hakten den Gran Paradiso für heute ab. Der La Tresenta mit 3609m lag gut für unsere momentane Situation und so erklärten wir den Berg für unseren Plan B. Auf einem schwach ausgeprägten Kamm folgten wir unseren in die Irre leitenden Steinmännern ins hintere Kar.

 

Irgendwann nach ein paar Minuten stoppte ich, und wartete auf Peter. Ich fragte Ihn frei heraus, ob es überhaupt noch Sinn macht auf den La Tresenta über die auch recht steinig aussehende Nordwestflanke zu besteigen. Durch die Steilheit des Geländes am La Tresenta würde die Abfahrt noch gefährlicher werden. 

Zum letzten Mal der Blick auf das Rifugio bei der Abfahrt. Links oberhalb kann man gut den eigentlichen Weg über die erste Steilstufe Richtung Gran Paradiso erkennen.

Nach Abwägen unserer Möglichkeiten entschieden wir uns für die Abfahrt. Nicht nur das wir bei der Abfahrt keinen Spaß haben werden, auch dass es mit dem wenig eingeschneiten Steinen auch richtig gefährlich wird. Wieder einmal ist Hirn einschalten angesagt. Ich denke in solchen Situationen immer an Michael Schuhmacher, dem ein solcher Stein zu Verhängnis wurde.

Wir ließen unsere Felle auf den Skiern und rutschen die sanften Hänge hinüber zum Refugio hinüber. Am Refugio angekommen, machten wir erst einmal Brotzeit und bestaunten die rot und gelb angestrahlten Berge um uns herum. Eine gewaltige Aussicht um uns herum, die die Enttäuschung ein wenig vergessen ließ. Trotzdem schmeckte die Brotzeit nicht recht. Ich war sauer auf mich und das konnte ich nicht ganz verbergen.

Im Mittelteil der Abfahrt bei wenig Schnee.

Nachdem wir unsere Rucksäcke wieder gepackt haben, bauten wir um und starteten mit der Abfahrt entlang der Aufstiegsspur. Alle paar Meter hörten wir das markerschütternde Knarzen der Ski auf den Steinen im Schnee. Sanft und mit aller Vorsicht ließen wir die Skier über den Schnee gleiten aber immer wieder hörten wir das gefürchtete Geräusch. Durch die stark wechselten Schneebedingungen war das aber nicht immer möglich. Wir waren richtig froh, wenn Abschnitte mit Eisplatten kamen, denn da wussten wir, dass uns da beim Drüberfahren keine Felsen berühren.

Diese Tatsache beschreibt schon die Situation gut. Je weiter wir nach unten kamen, desto mehr wurde aber der Schnee wieder. Auf den engen Kehren des Sommerwegs war die Abfahrt nicht einfach. Wir quälten uns Kehre für Kehre gen Tal. Bald darauf hatten wir es aber geschafft, wir waren wieder auf der Loipe im Tal und gleiteten zurück zum Parkplatz beim Gasthof Paradiso.

Ein magisches Bergdorf - Pont.

Fazit: Es ist natürlich nie schön von Niederlagen oder missglückten Touren zu schreiben. Besonders wenn man sich den einen oder anderen selbstverschuldeten Verhauer geleistet hat. Aber solche Erlebnisse gehören genauso zum Leben eines Bergsteigers wie auf der anderen Seite die Erfolge, die natürlich einfacher zu beschreiben sind.

Ich habe es mir zu Aufgabe gemacht, dass ich, anders als auf anderen "Sunshine" Internetseiten, über solche negativen Berggeschichten berichte. Denn, wo kann man mehr lernen, als von missglückten Touren, die dann doch noch gut ausgegangen sind und man unverletzt ins Tal zurückkam.

 

Wir wussten, dass es nicht einfach sein würde, besonders wenn wir 2100 Höhenmeter selber spuren müssen. Aber wir ließen uns nicht abschrecken. Was uns allerdings völlig überraschte, waren die geringen Schneehöhen im Hochgebirge. Es hatte tagelang Lawinenwarnstufe 4, aufgrund von enormen Neuschneemengen. Wo ist nur der Schnee hin? Alles weggeweht?

 

Das wir uns von den Steinmännern in das falsche Kar verleiten ließen, müssen wir uns eindeutig ankreiden lassen. Jeder von uns beiden kannte die Karte auswendig und wusste, dass wir nach der Hütte links eine Steilstufe hinauf müssten…aber man ist im Dunkeln, besonders wenn man das Gelände nicht kennt, immer auf der Suche nach Anhaltspunkten und wenn dann so ein Steinmann auftaucht, freut man sich einfach und vergisst zu denken... Auch durch das schwere Spuren im Waldgürtel waren wir mindestens eine Stunde zu spät dran.

 

Es spielten einfach einige Faktoren zusammen, die letztendlich die Tour scheitern ließ. Unser frühzeitiger Abbruch war dann nur die logische Konsequenz. Trotzdem war es für mich und sicherlich auch für Peter ein schönes Erlebnis in einem wilden Gebirge, dass ich bestimmt wieder besuchen werde.

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Kommentare: 2
  • #1

    Markus (Dienstag, 28 Dezember 2021 00:06)

    Ein spannender Bericht Jupp und du kannst schon so viele Erfolge in deiner Bergsteigerlaufbahn verbuchen, das eine Niederlage nicht ins Gewicht fällt. Bzw. es ist keine Niederlage sondern ihr habt daraus gelernt und noch viel wichtiger, ihr seid unbeschadet nach Hause gekommen. Heimkommen ist das wichtigste beim Bergsteigen.

  • #2

    Jupp (Dienstag, 28 Dezember 2021 09:07)

    Servus Markus, Danke für Deinen Eintrag. Stimme dir voll und ganz zu. Das wichtigste ist wieder gesund nach Hause zu kommen. Gute Bergsteiger sind alte Bergsteiger. Trotzdem waren es lehrreiche Tage, die sich im ersten Moment doch wie eine Niederlage anfühlten. Jetzt mit ein wenig Abstand kann man schon besser damit leben. :-)