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Winkelkar Umrahmung – Zahmer Kaiser

Pyramidenspitze – Kesselschneid – Rosskaiser

 

Datum: 15.06.2022

Teilnehmer: Solo

 

Gipfel:

Jovenspitze 1892m

Pyramidenspitze 1997m

Vordere Kesselschneid 2001m

Hintere Kesselschneid 1995m

Rosskaiser 1978m

Kleiner Rosskaiser 1923m

 

Schwierigkeiten: max. UIAA II und A/B, 1780Hm, 19km

Wetter: Bestes Bergwetter, südseitig etwas heiß

Bedingungen: trockener Fels, kein Altschnee, meist fester Fels

 

Strecke:  Parkplatz „Am Brand“ Durchholzen 690m – Großpointner Alm 928m – Winkelam 1193m – Jovenspitze 1892m – Pyramidenspitze 1997m – Vordere Kesselschneid 2001m – Hintere Kesselschneid 1995 – Rosskaiser 1978m – Kleiner Rosskaiser 1923m – Hochalm 1403m – Jöchl 1500m – Großpointner Alm 1193m – Parkplatz „Am Brand“ Durchholzen 690m

Eine kleine Übersicht der Runde, ohne jeglichen Maßstab!

Die Umrahmung des Winkelkars ist wahrscheinlich das wildeste was man im sonst so Zahmen Kaiser machen kann. Diese Tour hatte ich schon lange auf meinen Zettel, hab sie auch schon mehrfach geplant, aber wie so oft konnte ich sie aus verschiedenen Gründen nicht verwirklichen.

Nachdem mir Helmut gestern Abend aus familiären Gründen kurzfristig absagen musste, kam mir die Idee, diese Tour alleine anzugehen. Von der Orientierung und den Kletterschwierigkeiten her sollte diese Tour kein Problem für ein Solo sein, deshalb fuhr ich heute Morgen nach Durchholzen zum Parkplatz „Am Brand“. Für drei Euro Parkgebühr konnte man dort relativ günstig parken. 

Die ersten Wiesen der Großpointner Alm. Im Hintergrund schon der zu gehende Grat.

Mit leichtem Gepäck startete ich vom Parkplatz auf einer geteerten Straße in Richtung Großpointner Alm. Nach gut zehn Minuten wechselte der Untergrund auf Schotter und ich verließ den von Vogelgezwitscher gefüllten Wald und erreichte die ersten Almwiesen. Einige Kühe ließen sich die saftigen Blumen und Kräuter der Bergwiese schmecken und schauten mir ein wenig verdattert nach. Gleich nach der unbewirtschafteten Großpointner Alm endet der Wanderweg und ein gut erkennbarer Trampelpfad überquerte eine Wiese nach oben zum Waldrand.

 

Am Waldrand schlängelt sich ein ausgewaschener Steig zu einer weiteren Bergwiese. Kurze Zeit später überquere ich eine Forststraße und folge auf der anderen Seite den Wegweisern zur Winkelalm. Bis auf ein paar Kühe habe ich heute noch kein Lebewesen getroffen. Überall summt und brumnmt es. Ich bin froh, dass ich mich zu dieser Solotour entschlossen habe.

 

Meine Vorfreude steigt und nach gut einer Stunde erreiche ich die Winkelalm, wo ich eine Gämsengruppe unabsichtlich aufschrecke. Ich bleibe stehen, schaue was die etwa zehn bis zwölf Tiere machen. Sie denken anscheinend das gleiche und warten auch ab was ich mache. Ich schieße ein paar Fotos und beginne mich langsam auf sie zu zubewegen. Irgendwann verlieren sie die Nerven und sprinten los. Doch eine Gams bleibt wie angewurzelt stehen. Keine zehn Meter voneinander entfernt, starren wir uns an. Ich weiß nicht, was ich machen soll, also ziehe nochmal mein Handy raus und mache eine Nahaufnahme. Daraufhin nimmt sie reiß aus und schließt sich den anderen Tieren der Gruppe an. Was sind das nur für tolle Augenblicke in dieser Natur!

Eine wunderbare Landschaft unterhalb der Winkelalm. rechts im Hintergrund die Jovenspitze.

Ich steige weiter über einen grasigen Felsrücken, gewinne schnell an Höhe und erreiche bald drauf eine Schotterreisse, wo sich ein schwach erkennbarer Steig zu den steilen Felsen über mir hinaufwindet.

Bei den Felsen angekommen, sehe ich bald darauf die ersten Seilversicherungen, denen ich folge. Über leichte Klettersteigstellen im A und maximal A/B Bereich, komme ich schnell voran.

 

Irgendwann sehe ich keinen Weg mehr, keine Trittspuren, keine Stahlseile. Ich bin mir sicher, dass ich einen Abzweig im Normalweg zur Pyramidenspitze übersehen habe. Aber ich will ja eh erst auf die Jovenspitze, die im Aufstiegssinne rechts von der Pyramidenspitze liegt. Etwa 150 Höhenmeter über mir sehe ich ein Gipfelkreuz. Dieses Kreuz visiere ich an und steige ohne Weg über sehr steile Schrofen, auf Gämsenpfaden hinauf in eine Scharte direkt neben dem Gipfel der Jovenspitze. Puh, war das steil! Bei jedem Griff musste ich hoffen, dass der Grasbüschel, den ich in beiden Händen hielt, meinen Zug hält. Aber jetzt fehlen mir nur noch ein paar Meter zu meinem ersten Gipfel für heute. Ich schnaufe und schwitze ohne Ende. Bin ich froh, dass ich so früh dran bin, dass ich hier oben bin.

 

Am Gipfel habe ich eine wunderbare Aussicht ins Flachland, dem bisherigen Aufstiegsweg und dem gewaltigen Grat, der noch vor mir steht. 

Der Rückblick auf die Jovenspitze und die steilen Schrofen mit den Felsrippen, die zu queren sind.

Der leichte Wind lässt mich aber bald frösteln und ich beginne mit dem Abstieg. Das ist aber gar nicht so einfach, denn ich will ja nicht wieder ins Winkelkar absteigen, sondern nahezu ohne Höhenmeterverlust zum bereits sichtbaren Normalweg der Pyramidenspitze hinüberqueren. Ich schaue mir das Gelände vor mir an und erkenne auf einem Felsband, etwa 50 Meter vor mir entfernt einen kleinen Steinmann. Diesen peile ich an und versuche über die extrem steilen Schrofen hinüber zu kommen. Immer den vermutlich einfachsten Weg suchend, einige beinahe Abstürze vermeidend, erreiche ich diesen Steinmann kurze Zeit später. Bis auf ein, zwei Abkletterstellen im zweiten Grad kam ich relativ sicher dort an. Jetzt musste ich nur noch zwei Felsrippen erklettern und schon war ich, ein paar Minuten später auf dem Normalweg auf einer markanten Scharte unterhalb der Pyramidenspitze. 

Aussicht auf der vorderen Kesselschneid, dem höchsten Punkt des Zahmen Kaisers auf Pyramidenspitze und Jovenspitze.

Zur Pyramidenspitze und zum höchsten Punkt des Zahmen Kaisers...

Puh, das war nicht einfach. Interessanter kleiner Gipfel, diese Jovenspitze!

 

Jetzt geht es auf dem Normalweg weiter zur Pyramidenspitze, die ich wenige Minuten erreichte. Über ein paar Eisenkrampen und ein paar versicherte Felspassagen stand ich wieder alleine am Gipfel. Ich genoss diese Minuten sehr. Ich gönnte mir einen Schluck Cola und biss einmal vom Riegel ab, ehe ich den Weg nach Süden zum höchsten Punkt des Zahmen Kaisers, der Vorderen Kesselschneid fortsetzte. Über einen gut erkennbaren Wanderweg stieg ich erst etwa 50 Höhenmeter in eine Scharte ab. Am tiefsten Punkt angelangt, verließ ich den markierten Weg in Richtung Süden und verfolgte schwache Trittspuren einen Grashang hinauf zur Vorderen Kesselschneid. 

Der weitere Wegverlauf von der Vorderen Kesselschneid. Schaut wild aus, löst sich aber alles in Genusskletterei auf.

Der Ausblick auf den weiteren Gratverlauf ist von hier schon gewaltig. Die Wegfindung ist einfach. Man bewegt sich entweder direkt auf dem Grat oder eben südlich in den oftmals sehr steilen Schofen. Ich bleibe, solange mir das Gelände einigermaßen fest vorkommt auf dem Grat. Die Kletterei ist zwar maximal ausgesetzt, es pfeift senkrecht ins Winkelkar hinunter aber nie schwer. Einige Felsaufschwünge machen richtig Spaß und verdienen sich Auszeichnung „Genusskletterei“.

 

Viel zu schnell erreiche ich die hintere Kesselschneid, die etwas nach hinten versetzt mit Gipfelbuch und Steinmann wartet. Der kleine „Abstecher“ vom Grat dauerte nur ein paar Minuten und so war ich froh, den höchsten Punkt der Hinteren Kesselschneid mitgenommen zu haben.

Nach dem Ausflug zur Hinteren Kesselschneid wieder am Grat zurück. Der Blick zum Rosskaiser. Der sicherlich interessanteste Abschnitt des Gratverlaufs.

Auf zum Rosskaiser...

Jetzt kommt laut Beschreibung der interessanteste Teil der Gratüberschreitung. Die Wegstrecke zum Rosskaiser. Ziemlich steil und abweisend kommt mir dieser Teil von der Hinteren Kesselschneid vor. Aber wie schon zuvor löste sich das Ganze sehr schnell in einfaches Klettern und Schrofensteigen auf. Im wunderbaren Auf und Ab überschreite ich mehrere Gratzacken.

Je näher ich der von der hinteren Kesselschneid gesehenen unkletterbar aussehenden, finalen Flanke des Rosskaiser Gipfel komme, desto einfacher kommt mir das Gelände vor. Über steile Schrofen und einige kleinere, leichte Kletterpassagen im oberen ersten Grat erreiche ich den höchsten Punkt. Hier setze ich mich erst mal unter das Kreuz und trinke einen Schluck Cola.

Die Aussicht auf meine bisher gekletterte Runde ist schon gewaltig. Auch der Wilde Kaiser steht direkt vor mir. Ich blicke gerade auf eine gehörige Portion alpine Klettergeschichte. Kopftörlgrat, Ellmauer Halt, Fleischbank, Totenkirchl uvm. Die komplette Nordseite des Wilden Kaisers aufgereiht wie auf einer Perlenkette. Bin schon ein Stück weit begeistert. 

Der Wegverlauf zum Rosskaiser.

Der Abstieg vom Rosskaiser...

Nur vor dem Abstieg habe ich ein wenig Respekt. Dieser soll gar nicht so einfach zu finden zu sein. Ich will mir das mal anschauen. In östlicher Richtung, weit unten sehe ich fünf Hütten, die Hütten der Hochalm. Diese Hütten sollen mein nächstes Ziel sein. Dort muss ich mich hin orientieren, um den Wanderweg zum Jöchl und zurück ins Winkelkar zu erreichen.

 

Also steige ich vom Rosskaiser teilweise ziemlich ausgesetzt in Richtung Kleinen Rosskaiser abwärts. Ich gewinne bald einen Gämsenpfad und steige weglos die paar Höhenmeter zum Kleinen Rosskaiser hinauf. 

Der Gratverlauf vom Rosskaiser. Rechts Jovenspitze, dann Pyramidenspitze, Vordere Kesselschneid und ganz links im Bild die Hintere Kesselschneid.

Jetzt habe ich alle Gipfel dieser Winkelkar Umrahmung beisammen. Was für eine geniale Tour! Ich freue mich und mit einem wunderbaren Gefühl im Bauch eiere ich einen groben Schuttstrom zwischen Latschen hinunter, bis ich auf der anderen Seite einen schwach erkennbaren Pfad sehe. Auf diesen steuere ich zu und sehe zum Glück etwas unterhalb einen Steinmann auf einem markanten Stein. Dieser Steinmann sollte mir den Weg zu einer weiteren Schuttreisse anzeigen, die kurz dahinter in einer Rinne beginnt. Über diese Schuttreisse erreiche bald die ersten Bergwiesen der Hochalm. Über einen schwach erkennbaren, steilen Trampelpfad in der Wiese verliere ich rasch an Höhe.

Erst kurz oberhalb der Hochalm quere ich bei einem Schilderbaum auf einen Steig nach Norden, Richtung Jöchl / Durchholzen. Richtig abenteuerlich führt der teilweise recht verwachsene Steig über Wiesen, Schuttreissen und wurzeligen, steilen Passagen hinauf zur Hageralm und zum Jöchl, dass meinen Übergang zurück ins Winkelkar markierte.

Der Steig war nicht unbedingt schwer, aber durch die bereits zurückgelegten Höhenmeter, der langen Wegstrecke und auch der starken Sonneneinstrahlung auf dem südlichen Hang war es teilweise doch eine rechte Schinderei.

Der imposante Rosskaiser beim Abstieg, beziehungsweise beim Aufstieg zum Kleinen Rosskaiser.

Endlich am Jöchl angekommen, änderte sich das Klima schlagartig. Ein kühler Wind, der vom Winkelkar heraufzog, löste die heiße und schwüle Luft ab. Selten war ich so dankbar um ein wenig Wind! Der schmale Steig hinunter ins Winkelkar führte mich anfangs durch einen wunderbaren Bergwald. Ich kam an einigen Wasserrinnsalen vorbei, wo ich meine Wasserflasche auffüllen konnte. Erst später, kurz vorm Winkelkar, wurde der Steig breiter und verlor seine Steilheit. In nun gemächlicher Steigung erreichte ich die oberen Weiden der Großpointner Alm, wo ich den bekannten Wanderweg hinunterlief. Ab der Großpointner Alm konnte ich auf der Forststraße und später auf der Teerstraße wieder Gas geben. Richtig zufrieden, aber doch ein wenig erschöpft, erreichte ich nach knapp 05:30h den Parkplatz oberhalb Durchholzen.

Fazit: Was für ein Erlebnis! Was für eine Runde! Für den erfahrenen Bergsteiger sicherlich ein wunderbares Erlebnis. Für Anfänger definitiv zwei Nummern zu groß. Konditionell schon durchaus fordernd führt die Runde über lange Strecken über Absturzgelände, das zwar nicht schwer, aber von der Felsqualität her nicht unbedingt vertrauenswürdig ist. Steile Schrofen, teilweise bröseliger Fels und einige Kletterstellen im unteren zweiten Grad verlangen schon sicheres Steigen und Grundfertigkeiten im Klettern. Die meisten Kletterstellen kann man südseitig im steilen Schrofengelände umgehen, was einem aber dann doch einiges an Spaß nimmt. Der Weg zur Jovenspitze ist bis auf ein, zwei kleine Steinmänner völlig unmarkiert und war für mich der anspruchsvollste Teil der ganzen Tour.  Landschaftlich ist die Tour ein Hammer! Die komplette Silhouette des Wilden Kaisers steht über weite Strecken der Tour vor Augen. Auch die Ausblicke ins tief unter einem liegende Winkelkar sind grandios. Mega Tour!

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