Ein Ritt auf dem Geigenkamm zwischen Pitztal und Ötztal.
Teilnehmer: Karl-Heinz
Datum: 13.07.2025
Gipfel:
Wassertalkogel 3252m
Gschrappkogel 3179m
Wildes Mannle 3063m
Wurmsitzkogel 3079m
Verhältnisse:
Winterliche Verhältnisse der ersten Hälfte bis zum Wassertalkogel, dann gute Verhältnisse mit meiste trockenen Felsen. Je weiter südlich, desto besser.
Schwierigkeiten: 1450Hm – 16km – B/C – II – Sicherungen teilweise schadhaft bzw. nicht mehr funktionsfähig. Kein Gletscher mehr auf dem ganzen Weg. Kleine Todeisfleckenreste, die man umgehen kann, beziehungsweise nicht mehr tangieren.
Wetter: zeitweise stark bewölkt bei kühlen Temperaturen, Gegen Mittag kompletter Zuzug. Keine Sicht und kurze Zeit später ein kräftiger Guss.
Strecke: Rüsselsheimer Hütte 2323m – Weißmaurachkar – Weißmaurachjoch 2959m – Mainzer Höhenweg – Wassertalkogel 3252m „Rheinland-Pfalz Biwak“ – Gschrappkogel 3179m – Wildes Mannle 3063m – Wurmsitzkogel 3079m – Pollesjöchl – Franz-Auer-Steig - Silbergrube – Klettersteig - Braunschweiger Hütte 2759m – Mittelberg 1740m

Können wir uns wagen in den Mainzer Höhenweg einzusteigen? Große Passagen bestimmt mit bis zu einen halben Meter mit Neuschnee gefüllt. Nasser Fels und mit einer Gewitter im Rücken…das waren so Fragen, die uns am Abend nach unserer Hohen Geige Tour beschäftigten. Die Warnungen bezüglich des Mainzer Höhenwegs aus dem Internet kannten wir. Nach einer kurzen Rücksprache mit dem Hüttenpersonal wollten wir es versuchen.
Pünktlich um 5Uhr standen wir an der Eingangstür zum Frühstücksraum der Rüsselsheimer Hütte und konnten uns am reichlich gedeckten Frühstücks Buffett für unser Abenteuer stärken. Ich hatte es anscheinend mit dem Stärken zu gut gemeint, denn während des gesamten Anstiegs ins Weißmaurachjoch plagten mich Bauchschmerzen…
Etwa um halb 6 starteten wir zu dritt von der wirklich herzlichen und sehr zu empfehlenden Rüsselsheimer Hütte unsere Tour Richtung Braunschweiger Hütte beziehungsweise Mittelberg, bei der wir laut einer Beschreibung auf „Alpenvereinaktiv“ bis zu 14 Stunden brauchen werden. Naja, schauen wir mal was uns wirklich erwartet und wir brauchen werden. Am Nachmittag sind Schauer und Gewitter angesagt, die wollten wir eigentlich nicht auf dem Übergang miterleben.
Wir steigen auf einer Gletschermoräne einen Steig ins Weißmaurachkar hinein. Angenehm angelegt auf der orographisch rechten Seite sollte der Weg der letzte sein, den wir die nächsten Stunden begehen werden. Denn der Übergang zur Braunschweiger Hütte ist nur markiert. Etwa hundert Höhenmeter unterhalb des Weißmaurachjochs verabschiedet sich ein Mitglied unserer Kleingruppe. Er fühlt sich nicht gut und will gemütlich zurück zur Hütte und im Tagesverlauf unser Auto nach Mittelberg umsetzen. Vielen Dank dafür.
Also ging es zu zweit weiter Richtung Weißmaurachjoch. Im Oberen Drittel wurde es Weglos und wir folgten so gut es ging den rot-weiß-roten Markierungspunkten. Schotter über Schotter. Oftmals ging es nur ein Schritt vorwärts und zwei zurück. Es war schon ein gewisser Kampf dem losen Gestein zu trotzen. Schwer atmend stehen wir aber doch kurze Zeit später auf dem windumtosten Joch. Schnell eine weitere Jacke anziehen, eine kurzer Schluck aus der Trinkflasche und die Stöcke aus dem Rucksack, um im Schnee zwei weitere Haltepunkte zu haben. Rechts neben uns erhebt sich der mächtige Puitkogel, den wir die nächste Zeit neben uns haben werden.

In den Nordostabbrüchen des Puitkogels.
Auf einer Rampe steigen wir im schneegefüllten Blockwerk etwa 50 Höhenmeter hinauf, um dann den Markierungen zu folgen nach links hinauszuqueren. Auf der Nordostseite des Puitkogels queren wir auf etwa gleichbleibender Höhe zu einer weiteren Markierungsstange auf einer kleinen Scharte einige Rinnen ausgesetzt. Hier sollte doch jeder Tritt sitzen. Auf der Scharte angekommen, steigen wir auf die Sonnenseite hinüber und hangeln uns an einigen mit Ketten versicherten, glatten Platten zum ehemaligen nördlichen Puitkogelferner hinab. Wir queren im tiefen Schnee auf eine weitere mit Ketten versicherte Scharte. Immer den Markierungen folgend erreichen wir den sogenannten Frühstückplatz. Hier zieht steil eine mit Ketten versicherte Rinne zur ehemaligen Wirkungsstätte südlichen Puitkogelferner hinunter. Wir queren das mit Schutt und Schnee gefüllte Tal und erreichen die für mich schwersten Passagen des gesamten Höhenwegs. Mit losen Kettenstücken (un-)versicherte Gletscherschliffplatten werden unterhalb des Sonnenkogel abenteuerlich gequert. So ohne Kettensicherung ist das bestimmt eine Querung im dritten Grat. Die Schuttrinnen dazwischen sind mit Schnee gefüllt, sodass jeder Tritt in einer anderen Tiefe endet. Nicht nur einmal schrammte eines meiner Beine schmerzhaft an den unter dem Schnee verdecken scharfen kannten des Blockwerks.
Ein paar Impressionen vom ersten Teil bis zum Anstieg zum Wassertalkogel.
Aber auch diese Passage schafften wir eigentlich, bis auf ein paar Hautstückopfer ohne Probleme. Kurze Zeit später, quasi „just arround the Corner“ erreichen wir ein Schneefeld, über das wir ziemlich direkt zum Grat zwischen Sonnenkogel und Wassertalkogel hinaufgelangen. Auf dem Grat angekommen, blieb uns erst mal die Luft weg…zum einen, weil wir etwas überpaced haben und zum anderen wegen der Aussicht. Quasi die ganze Ötztaler Gipfelprominenz liegt vor uns… Ein Blick auf die Tourengebiete des Taschachhaus, der Riffelseehütte und der Kaunergrathütte… Wir bleiben einige Minuten stehen und genießen diese Aussicht. Was für ein Privileg!
Wir drehen nach links und steuern in Richtung Wassertalkogel. Am Biwak will ich kurz was essen, denn nach dem üppigen Frühstück meldet sich mein Magen zu Wort. Wir klettern noch über Blockwerk und ein paar mit Ketten und Drahtseilen versicherte Gratabschnitte und erreichen kurze Zeit später den höchsten Punkt der Tour. Den Wassertalkogel mit dem futuristischen rot strahlenden Biwak. Wirkt auf mich irgendwie völlig unpassend in dieser Menschenleeren eintönigen, grau- und braunen Gegend. Aber als Notfallunterkunft sicherlich ein wichtiger Bestandteil. Das Biwak selbst ist aufgeräumt und gepflegt. Es sind Gasvorräte, ausreichend Decken und Töpfe vorhanden. Finde ich gut, denn ich habe schon andere Biwakschachteln gesehen.

Das Rheinland-Pfalz-Biwak auf dem Wassertalkogel.
Vom Wassertalkogel steigen wir südlich über ein Schneefeld wieder zum Grat ab. Jetzt sollten wir das Thema Schnee hinter uns haben. Schnell ist der nächste Gipfel, der Gschrappkogel erreicht. Danach wird der Weiterverlauf etwas unübersichtlich. Das eine oder andere Mal überlegen wir, gehen wieder zurück zur letzten Markierung, finden dann aber doch den logischsten Weg. Im stetigen auf und ab werden nach und nach Gratbuckel und Gipfelchen bestiegen. Mal geht’s nach rechts, mal nach links. Aber im groben folgen wir dem Gratverlauf. Wir machen kurz ein unterhalb des Wilden Mannle eine Trinkpause und bestaunen die Berge um uns herum. Die Wolken machen uns keine großen Hoffnungen, dass sich das angekündigte Schlechtwetter verzögert oder ausbleibt. Große Wolkentürme entfalten sich im Südwesten. Mal schauen wir lange es noch herhält.

Im letzten Teil des Wegs dominiert wieder Blockwerk. Hier im Bild die etwas kleinere Ausführung.
Wir starten wieder, denn wir wollen trocken bleiben. Der Höhenweg neigt sich Richtung nördlichem Pollesjöchl, wobei der Weg nun östlich der Grathöhe verläuft. Über riesige Blockwerkbrocken geht es mühsam springend und hüpfend von Scholle zu Scholle, stur den Markierungen folgend hinunter zum nördlichen Pollesjöchl. Am Wegweiser nehmen wir den Franz-Auer-Steig, der uns in die Silbergrube führt. Erst angenehm auf festem Untergrund, dann auf lockeren Moränenuntergrund mühsam hinauf zu einer Gratniederung die vom Pitztaler Jochköpfle herunterzieht. Das Wetter verschlechtert sich rapide. War soeben noch Sonnenschein, zieht jetzt, ein paar Minuten später aus dem Pitztal Nebel, der uns komplett einhüllt. Wir folgen den Markierungen über eine Schuttfläche und erreichen an deren Ende einen Klettersteigeinstieg. Wir checken das GPX, wir sind zwar abseits der Spur aber die Richtung stimmt. Wir stehen vor einem neugebauten Klettersteig, der im Nachhinein mit Sicherheit eine Schwierigkeit von B/C hat. Also dann Hand ans Seil und zieh…So erreichen wir nach etwa 60-80 Höhenmeter den obersten Punkt, wo wir in den Weg 918 zur Braunschweiger Hütte eindrehen können. Die Hütte können wir nicht sehen, aber hören und besonders riechen…Anscheinend ist auf unsere Seite die Kläranlage. Bäh… Nach knapp 7 Stunden stolpern wir auf die Terrasse und genießen Knödel und Radler im Gastraum. Als wir unsere Suppe bekommen, beginnt es zu regnen. Was für ein Timing!
Nachdem der kurze Schauer vorüber war, klarte es auf, der Nebel verschwand und so
packten wir unsere Sachen und stiegen gen Tal Richtung Mittelberg. Die Luft blieb trotz des Schauers noch labil, so dann wir am Ende, kurz vor dem Parkplatz doch noch nass wurden.

Da schlechte Wetter zieht in Minutenschnelle auf. Gerade eben hat uns die Sonne noch eingeheizt.
Fazit: In der Vorbereitung auf diese Sektionstour stieß ich immer wieder auf Berichte und Warnungen unter anderem der Sektion Mainz, in der besonders gewarnt wurde, dass der Mainzer Höhenweg kein „Weg“ ist und nur bei absolut sicheren Wetterlage und Verhältnissen zu begehen ist… Das er einer der anspruchsvollsten „Höhenwege“ der gesamten Alpen ist. Es war die Rede von Begehungszeiten 10 - 14 Stunden Plus und man solle sich ja nicht auf irgendwelche Internet-Lügenberichte verlassen.
Ja, es wurde ja schon fast ein Mythos der Unbegehbarkeit ausgegeben. Das sich in einer nach der absoluten Sicherheit schreienden Welt jeder absichern will, ist zwar traurig aber irgendwie noch verständlich…Bei Unfällen ist der Finger der Schuld schnell ausgefahren aber lassen wir mal die Kirche im Dorf.
Es ist ein Hochalpiner Hüttenübergang, der von den Altvorderen als Höhenweg bezeichnet worden ist. Für das, das wir in der Neuzeit einen Höhenweg mit einem Südtiroler Wanderpfad verwechseln können die nichts.
Klar ist, es ist kein Wanderweg, es gibt keinen Weg und der gemeine Wanderer, der keine Kletterkenntnisse und Hochtourenerfahrungen besitzt, hat auf dem „Höhenweg“ absolut nichts verloren. Aber wenn man sichere Wetterverhältnisse hat, ein wenig Routengespür besitzt, dann ist der Weg für einen Hochtourenerfahren Bergsteiger ein Hochgenuss! Man kriegt einen Tag mit allem, was das Bergsteigerherz begehrt. Wenn man statt schriftlicher, veralteter Warnungen Fakten liefern würde und die Berichte seitens der betreuenden Alpenvereinssektion aktuell halten würde, würde sich ganz schnell Klarheit über die zu erwartenden Schwierigkeiten ergeben.